Was wir benötigen

Text: Dr. Eckart Lummert
Vorsitzender der Vertreterversammlung der KVN

Foto: Thomas Deutschmann

Die Praxen, ja das ganze ambulante System steht am Limit oder besser gesagt, ist schon schon darüber hinaus! Lange Wartezeiten auf Behandlungstermine, Patientenaufnahmestopps, fehlende Zeit für Arzt-Patienten-Gespräche und und und. Doch was tut die Politik? Sie suggeriert der Bevölkerung weiterhin, sie könne rund um die Uhr eine allumfassende Versorgung ohne Einschränkungen in Anspruch nehmen. Dabei werden die verfügbaren Ressourcen der ambulanten Versorgung außer Acht gelassen. Mehr noch, die gesellschaftlichen Entwicklungen, der medizinische Fortschritt, die Alterung der Bevölkerung mit zunehmender Multimorbidität und vieles andere mehr wirkt auf die ambulante Versorgung ein, so dass die Balance von wirtschaftlicher Tragfähigkeit der Praxen und gestiegenen Versorgungsansprüchen der Bevölkerung nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Trotz dieser Entwicklung bekennen sich die niedersächsischen Vertragsärztinnen und -ärzte und Psychotherapeutinnen und -therapeuten ausdrücklich zu ihrer Verantwortung im System. Dafür möchte ich an dieser Stelle allen Kolleginnen und Kollegen danken. Das was Sie tun, ist eben nicht selbstverständlich.

„Wir benötigen eine verbindliche Steuerung der Versorgung.“

Was wir jetzt benötigen ist Planungssicherheit, eine wirtschaftliche Perspektive und Rahmenbedingungen, die einen Anreiz dafür liefern, selbstständig und freiberuflich tätig zu sein. Eine neue Bundesregierung muss Tatkraft an den Tag legen. Denn es bedarf endlich einer Neujustierung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Einige Eckpfeiler möchte ich nennen: Wir benötigen eine Erhöhung der Zahl der Medizinstudienplätze um konkrete 447 Plätze in Niedersachsen, um den Ersatzbedarf bis zum Jahr 2040 auszugleichen. Wir benötigen auch den Aufbau von Studienplätzen für nichtärztliche medizinische Fachberufe. Die ambulante Versorgung bedarf qualifizierter Assistenzberufe. Wir benötigen den konsequenten Abbau von Regressen. Sowohl die Regelungen zur Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln als auch die mittlerweile unüberblickbaren Abrechnungsregelungen führen zu massiven Unsicherheiten und in letzter Konsequenz zum Verzicht auf eine Tätigkeit in der ambulanten Versorgung. Wir benötigen den tatsächlichen Abbau von Bürokratie. Die nicht nur im deutschen Gesundheitswesen ausgeprägte Regelungsdichte basiert auf einer Misstrauenskultur, die schleunigst abgelöst werden muss. Wir benötigen die Entbudgetierung sowohl der hausärztlichen als auch der fachärztlichen Versorgung. Die von Vertragsärztinnen und -Ärzten erbrachten Leistungen werden seit weit über 30 Jahren budgetiert und in der Folge Quartal um Quartal um ca. 20 Prozent rabattiert. Wir benötigen eine Digitalisierung, die den Namen verdient. Die Digitalisierungsstrategie des BMG führte in den vergangenen Jahren statt zu einer Entlastung zu einer Belastung der Praxen. Das kann so nicht weitergehen. Und nicht zuletzt benötigen wir dringend eine verbindliche Steuerung der Versorgung. Das gegenwärtige System der freien Arztwahl ist nicht mehr beherrschbar.

Also, es gibt viel zu tun. Wir werden mit der neuen Bundesregierung sprechen. Wir werden die Prozesse aus Niedersachsen heraus begleiten. Wir werden an einer guten Zukunft der medizinischen Versorgung weiterarbeiten.